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Camping, Camping

albano, Nagasaki (Japan) im Januar 2000

Gleiche Zeit - weiter westlich, also verschwindet hier die Sonne etwas später unter dem Horizont als in Tokyo. Gegen fünf Uhr ist es aber soweit. Noch eine gute halbe Stunde Dämmerung, und dann regiert die Nacht, auch wenn der Mensch mit viel künstlicher Beleuchtung gegen sie ankämpft. Ich habe kein Licht am Fahrrad, und so wird es für mich langsam Zeit, mich nach einem Ort umzuschauen, wo ich mir ungestört den nötigen Schlaf holen kann.

Ich erreiche gerade Isahaya in der Präfektur Nagasaki. Der Supermarkt am Stadtrand kommt wie gerufen. Ich decke mich mit Lebensmitteln ein. Das Brot, beziehungsweise die weichen, viereckigen Scheiben, die meinem Begriff von Brot am nächsten kommen, sind aber bereits ausverkauft. Das ist kein Problem, denn es gibt ja noch die kleinen 24-Stunden-Läden mit Vollsortiment, die wie Unkraut übers ganze Land wuchern. Der nächste von ihnen taucht wie erwartet nach wenigen hundert Metern Fahrt auf meiner Strassenseite auf, und bald bin ich auch mit Brotersatz versorgt.

Ein Hotelzimmer wäre bestimmt ebenfalls leicht zu finden, mit dem aktuellen Wechselkurs allerdings kaum unter 50 Schweizer Franken für eine Nacht, und wer spart schon nicht gerne 50 Franken. Schliesslich schleppe ich seit bald eineinhalb Jahren mein Zelt mit mir herum, und mit etwas Spürsinn werden auch im japanischen Isahaya etwa vier geeignete Quadratmeter aufzutreiben sein. Es klappt hier sogar noch einfacher als an anderen Tagen. Die sechsspurige Hauptstrasse und die Bahngeleise verlassen die Stadt nebeneinander. Dazwischen wartet an einer Stelle ein unbenutzter Grünstreifen auf mich, der durch eine Hecke von der Strasse abgetrennt ist. Also richte ich hier meine Wohnung ein.

Die hinteren Taschen bleiben am Fahrrad, und dieses wird auf die linke Seite gelegt. Daneben rolle ich das Zelt aus und suche die richtigen Wege für die Stangen, wie immer eine etwas aufwendige Angelegenheit. Unterdessen braust der erste Zug vorbei. Das Aussenzelt beansprucht reichlich Platz und nimmt den grössten Teil meines Fahrzeuges in sich auf. Dann wird das Innenleben organisiert, also in erster Linie der Schlafsack ausgerollt und für Licht gesorgt. Dieses kommt von einer altbewährten Kerze.

Heute ist Kochen angesagt. Auch der brennende Benzinkocher findet Platz im Aussenzelt, ein Luxus, der natürlich mit Mehrgewicht zu Buche schlägt. Die Hitze der Flamme kommt gelegen, denn auch in Japan ist jetzt Winter, und die Nachttemperaturen tendieren in dieser Region gegen den Gefrierpunkt. Das Rezept darf für nur eine Pfanne nicht zu aufwendig sein. Es gibt Spaghetti aus einheimischer Produktion an einer einheimischen Gewürzmischung, wie üblich für drei bis vier Personen.

Zum Essen höre ich in die Deutsche Welle hinein, das Welt-Radioprogramm Deutschlands, und erfahre, dass die kroatische Opposition die Wahlen haushoch gewinnen wird, dass Israel und Syrien in Shepherdstown gerade erst um den Ablauf der Verhandlungen ringen und dass die Lebenserwartung eines Menschen bis zum Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts vielleicht auf hundert Jahre ansteigen wird. Schweizer Radio International ist auch heute wieder kaum zu empfangen. Natürlich liege ich schon lange im warmen Schlafsack, doch bevor ich den Sandmann Hand an mich legen lasse, halte ich noch das Tagesgeschehen fest und schreibe Postkarten, unter anderem auch wieder einmal an meine beiden Grossmütter. Unterdessen ist die Kerze deutlich kürzer geworden.

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© 8.1.2000 albano & team