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Juni, Juli in Kolumbien

albano, Quito (Ecuador) im Juli 1999

Perspektivenwechsel

Medellín ist gross, sauber und verhältnismässig reich. Schon aus 20 Kilometer Entfernung ist die Stadt zu sehen. Sie ist auf etwa eineinhalbtausend Meter gelegen und füllt eine Mulde zwischen ziemlich hohen Bergen aus. Im Zentrum stosse ich auf vielstöckige Bauten mit spiegelnden Fassaden, die Statussymbole einer modernen Agglomeration, und auf die Pfeiler der neuen und effizienten Schnellbahnlinien, eine absolute Seltenheit in Lateinamerika und der Stolz der Stadt.

Am Tag meiner Ankunft nehme ich Kontakt mit einem Ehepaar auf, welches mir im Aufstieg am Vortag seine Visitenkarte aus dem Auto zugesteckt hat. Die beiden holen mich im Hotel mit ihrem Wagen ab, und ich werde so zum Zeugen bei ihren heutigen Besorgungen. Die Familie nimmt dabei auch in Kolubien einen wichtigen Stellenwert ein. Obwohl ihre Mitglieder über viele Quadratkilometer verteilt leben, sehen sie sich fast täglich. Innert Stunden lerne ich so etwa zehn Personen kennen und sehe die Stadt aus einer etwas anderen Perspektive. Es gibt hier auch ärmere Quartiere. Sie sind an den schlichten, niedrigen Häusern mit rohen Zementsteinwänden zu erkennen. Ich besuche meine Freunde auch zwei Mal zu Hause. Sie wohnen weit weg vom Zentrum im Süden der Stadt. Beim ersten Mal werde ich zum Essen eingeladen, beim zweiten Mal beanspruche ich die Küche, und es kommen Spaghetti Bolognese dabei heraus.

Zwei Überraschungen

An einem anderen Tag in Medellín stelle ich fest, dass ich ein zu luxuriöses Hotel erwischt habe oder dass ich zumindest den Zimmerservice hätte abbestellen sollen. Als ich nach einem Stadtbummel zurückkehre, erleide ich fast einen Herzstillstand. All meine Sachen sind fein säuberlich aufgeschichtet oder in die Taschen verpackt. Die Zimmermädchen haben die Bettwäsche gewechselt und sich dabei in bester Absicht auch gleich meiner Sauordnung angenommen. Ich finde nichts mehr und muss mir den Überblick neu verschaffen. Eine knappe Minute später sieht der Raum wieder etwas wohnlicher aus, doch der Schock sitzt tief.

Eine weitere Überraschung erlebe ich, als mich ein Mann um die dreissig an einem Abend besucht. Ich habe ihn vorher im nahen Park getroffen und ihm angeboten, einige Englisch-Übungen mit ihm zusammen durchzugehen. Gesagt - getan. Schon während wir arbeiten habe ich das Gefühl, dass es meinem Gast manchmal etwas schwer fällt, sich zu konzentrieren. Doch erst als er sich danach unmissverständlich an meiner Körperbehaarung und an Extremitäten unterhalb der Gürtellinie interessiert zeigt, beginne ich zu verstehen. Nachdem ich ebenso klar mein Desinteresse an sexuellen Kontakten der vorgeschlagenen Art im allgemeinen und an einer entsprechenden Verlängerung des heutigen Abends im speziellen bekundet habe, verabschiedet sich mein Freund recht schnell.

Geisterstunde

Am Freitag, 4. Juni fahre ich weiter. Es führt fast kein Weg aus der Stadt hinunter. Auch auf meiner Route Richtung Bogotá muss ich einen Bergkamm überqueren. Mitten im Aufstieg stosse ich auf eine Zahlstation. Zweiräder bezahlen nichts, aber ich muss trotzdem anhalten, weil ich von den fliegenden Händlern, die dort ihre Ware feilbieten, regelrecht umzingelt werde. Die Leute sind freundlich. Nur mit Fragen bombardieren sie mich, und sie lassen mich anstandslos durch, als ich weiterfahren will.

Am folgenden Tag sinkt die Strasse stetig Richtung Magdalena-Tal ab, allerdings mit vielen Zwischenaufstiegen. Das Klima wird deutlich wärmer, und auch die Vegetation dichter. Ich erreiche den Fluss Magdalena bis am Abend nicht ganz. Der beste Ort fürs Zelt, den ich im Wald entlang der Strasse beim Eindunkeln finde, ist etwas unheimlich. Es ist der zementierte und brüchig überdachte Vorplatz einer verlassenen Hütte. Gerümpel liegt herum. Die verlotterten Türen zu den Zimmern stehen halb offen. Ohne Licht ist nicht zu sehen, was sich darin verbirgt, und meine starke Taschenlampe funktioniert nicht. Etwas flattert mir um die Ohren - Fledermäuse. Erst als ich mich ins Zelt zurückziehen kann, fühle ich mich etwas wohler.

Die Qual der Wahl

Das Tal ist recht flach und heiss und liegt wenig über dem Meeresspiegel. Am Montag biege ich in Honda Richtung Bogotá ab, Santafé de Bogotá mit vollem Namen. Ein Aufstieg auf zweieinhalbtausend Meter steht bevor, und zwar in mehreren Etappen. Ich benötige dafür rund zwei Tage. Unterwegs sammle ich wieder fleissig Adressen, als ich am Mittwoch die Hauptstadt erreiche, habe ich schon ein Zimmer auf sicher.

Meine Gastgeberinnen arbeiten im Textilgeschäft ihrer Eltern im Norden der Stadt und sind Zwillingsschwestern. Also stehen zwei Wohnungen zur Auswahl. Ich werde in der grösseren einquartiert, wo die eine der Schwestern mit ihrer Familie wohnt. Ich kann sogar zwischen zwei Zimmern wählen, da die beiden Söhne zur Zeit nicht zu Hause sind. So kommt es, dass ich sogar ein eigenes Badezimmer zur Verfügung habe. Die vierstöckige Appartment-Wohnung ist auch sonst sehr geräumig. Sogar das Fahrrad findet darin ohne zu stören Platz. Für mich der Höhepunkt der Ausstattung ist der Glasfaserzugang ans Internet - kein Einwählen, keine Verbindungsgebühren; einfach nur den Computer einschalten und schon ist man mit dem Rest der Welt verbunden.

Der Donnerstag beginnt schon wieder mit Sport: Ab halb sieben steht lockeres Laufen mit Vater und Tochter auf dem Programm. Auch der Hund kommt mit. Sonst ist die Tochter eher selten zu sehen. Meist ist sie in ihrem Zimmer und lernt für ihre Mittelschul-Abschlussprüfungen, welche in diesen Tagen stattfinden. Den Rest des Tages nütze ich, um meine Ausrüstung zu reinigen. Die sporadischen Regenfälle der letzten Tage haben ihr etwas zugesetzt. Die Kleider darf ich der Hausangestellten zum Waschen überlassen. Am Abend treffe ich beim gemeinsamen Essen bei der anderen Schwester noch mehr Verwandte und Bekannte.

Auto fahren in Kolumbien

Am Freitag breche ich ebenfalls mit der anderen Schwester und ihrem Sohn zu einem Wochenendausflug auf. Wir fahren mit ihrem Wagen zunächst über die gleiche Strecke zurück, auf der ich Bogotá erreicht habe. So habe ich Gelegenheit, den kolumbianischen, vielleicht lateinamerikanischen, Fahrstil einmal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Zwei wichtige Unterschiede zu europäischen Strassenverhältnissen stechen ins Auge: Die Strasse im bergigen Gebiet weist fast keine Kunstbauten auf, sondern folgt ziemlich konsequent der Geländestruktur. Also gibt es kaum einen geraden Abschnitt. Zweitens sind, jedenfalls Werktags, unzählige Lastwagen jeder Grösse unterwegs, welche langsam und keuchend die Steigungen hoch- und hinunterfahren und dabei Unmengen von Russ ausstossen.

Dahinter warten meist einige Fahrzeuge auf einen günstigen Moment zum Überholen. Unübersichtliche Kurven sind dafür kein Hindernis, da es fast nur solche hat. Taucht während dem Manöver Gegenverkehr auf, betätigt der Überholende kurz die Lichthupe. Der Entgegenkommende weiss so, dass es ratsam ist, etwas abzubremsen. Das gleiche Zeichen geben vor allem Busse, wenn sie Kurven schneiden - manchmal, falls die Zeit dazu reicht. Die fast durchgehend präsente Sicherheitslinie zwischen den Fahrspuren wird allgemein eher als Leitlinie interpretiert.

Malz im Zielhang

Trotz den haarsträubenden Strassenverhältnissen und dank der sicheren Hand unserer Fahrzeuglenkerin, erreichen wir am Abend alle drei wohlbehalten das Landhaus in der Nähe von Mariquita, welches auch jemandem der Familie gehört. Am nächsten Tag geht es früh weiter bis Manizales auf einer ähnlichen Strasse. Wir besuchen die Mountainbike-Rennen, welche hier stattfinden und zur panamerikanischen Meisterschaft zählen.

Heute findet der Downhill-Wettkampf statt. Wir erreichen das Zielgelände rund drei Stunden vor Beginn. Schon jetzt liegt etwas Spannung in der Luft. Fahrerinnen und Fahrer tauschen die letzten Tips zum Material und zur Strecke aus, bevor sie von Minibussen zum Start hochgekarrt werden. Die ersten Zuschauer sammeln sich im steilen Zielhang, welchen die Strecke über eine lange Bergflanke erreicht. Nach einigen Kurven im steilsten Stück, vorbei am Werbeballon der Malzbrauerei und an den stramm aufgereihten Flaggen der teilnehmenden Nationen, schliesst sich der Weg der Falllinie an und wird etwas flacher, bevor er über eine Böschung und einen Fahrweg in den ebenen Rasenplatz einer Schule ausläuft. Die Witterung ist ideal - warm und trocken.

Die Schau beginnt mit den Jugend-Kategorien. Viele der von Kopf bis Fuss gepolsterten Fahrerinnen und Fahrer ziehen es vor, die Schanze rechts zu umfahren und nehmen dabei den Zeitverlust in Kauf. Je älter die Teilnehmer, desto häufiger wird gesprungen. Aber nicht ganz alle von ihnen landen richtig auf den Rädern. Etwas viel Pech hat jener Fahrer, der nach dem Sturz die Arme hochreisst, da er sich bereits im Ziel wähnt. Als er den Fehler bemerkt, schleppt er sich und seine Maschine über die Zielline, vergisst aber das Vorderrad, das beim Aufprall aus der Gabel geschleudert worden ist. Ein anderer Teilnehmer purzelt über eine der Kurven hinaus und taucht für eine Weile in der Menschenmenge unter.

Sumpfmonster

Als wir nach den Rennen in die Stadt fahren, nehmen wir zwei der Sportler ins Schlepptau. Sie wohnen ganz in der Nähe, haben aber mit ihren grossen Übersetzungen keine Chance, den Aufstieg zu ihrem Haus aus eigener Kraft zu bewältigen. Am Sonntag steht das Cross Country (Rundstreckenrennen) auf dem Programm. Heute gibt es einige Tropfen Regen, die den Boden langsam aufweichen, und bald schon können sich die Zuschauenden an den fahrenden Sumpfmonstern ergötzen. Nur schwach schimmern die identitätsstiftenden Farben der Kleidung noch durch den Schlamm hindurch. Dank dem Kommentator und den Landeshymnen bei der Siegerehrung ist man aber trotzdem gut informiert.

Auf dem Rückweg übernachten wir wieder im Landhaus. Auch bei der Heimfahrt werden mir einige knifflige Brems- und Überholmanöver geboten. Wenigstens hat es an den beiden Tagen fast keinen Schwerverkehr. Ich bleibe noch zwei Tage bei meiner Gastfamilie in Bogotá. Auch zu einer Fahrt ins Stadtzentrum kann ich mich noch aufraffen, obwohl dieses vor Glanzlichtern nicht gerade strotzt. Im Gegenteil: Der Privatverkehr sprengt hier alle Grenzen der Vernunft. Dies auf eher mässigen Strassen, auf welchen ab und zu auch Schachtdeckel fehlen.

Schlaff im Lenker

Am Donnerstag, 17. Juni bin ich wieder auf Achse. Wie immer hat der Abschied lange gedauert, und ich schaffe es durch dichten Verkehr und Regen vor dem Eindunkeln gerade bis an den Südrand der Stadt. Dafür ist am nächsten Tag die Kilometerleistung umso höher, kein Wunder, führt doch ein Grossteil der Strecke hinunter, zurück ins Magdalena-Tal. Ich werde heute von zwei weiteren Radfahrern auf ihrem Arbeitsweg begleitet. Sie absolvieren die rund 300 Kilometer zwischen ihren Familien und ihrer Baustelle alle paar Wochen zwei Mal.

Ich fahre den Magdalena einige hundert Kilometer flussaufwärts. Wieder wird es warm bis heiss. Es scheint, dass ich zu wenig Kohlenhydrate getankt habe, denn am Tag, als ich Neiva, die nächste Stadt, durchquere, hänge ich ziemlich schlaff im Lenker. In der Nacht schlägt die Grösse der ins Zelt eindringenden Ameisen alle bisherigen Rekorde. Tags darauf komme ich auch nicht besser vorwärts, und obendrein reisst auch noch ein Schaltkabel. Also quartiere ich mich in Gigante in einer Pension ein und proklamiere einen Ruhetag.

Steinfiguren mit wenig Besuchern

Am Donnerstag und Freitag geht es in alter Frische weiter. Die Landschaft wird immer bergiger, und um San Agustín auf knapp zweitausend Meter über Meer zu erreichen, muss ich mich aus einer tiefen Schlucht emporarbeiten. Als ich das Dorf erreiche, schart sich sogleich ein Haufen Kinder um mein Fahrzeug und mich. Sie erwarten mit Spannung den Kinderumzug, welcher zur Serie von Festen für verschiedene Heilige im Juni und Juli gehört. Dekorierte Wagen und Fussvolk stehen schon in Reih und Glied bereit.

Die Pension, in der ich unterkomme, ist tatsächlich schön gelegen, hat freundliche Gastgeber und internationale Gäste. Vom Aufstieg der dorthin führt und den ich nicht fahrend bewältigen kann, steht allerdings nichts im Reiseführer. In der Umgebung von San Agustín befinden sich verschiedene archäologische Stätten, allen voran der Parque Arqueológico, ein weitläufiges Gelände mit verschiedenen Gruppen von Steinfiguren, von welchen einige über fünftausend Jahre alt sein sollen. Eindrücklich sind auch die in den Fels gehauenen Muster und Kännel des Zeremonienbrunnens am nahen Bach. Ebenfalls eindrücklich, aber nicht ganz passend wirkt dessen klobige Überdachung aus neueren Jahren. Im Park hat es trotz gutem Wetter und Hochsaison nur wenige ausländische Besucher. Bedenkt man, das San Agustín eine der wichtigsten Attraktionen des Landes ist, wird deutlich, wie sehr der Bürgerkrieg dem Tourismus schadet.

Störrisches Pedal

Um von hier weiter nach Süden vorzustossen, muss ich zuerst die Bergkette im Westen überqueren. Der einfachste Weg führt über Popayan, doch auch in diese Richtung sind rund hundert Kilometer Schotterpiste zu bewältigen, welche im Führer obendrein für Radfahrer ausdrücklich nicht empfohlen werden. Als ich am Sonntag, 27. Juni Richtung San José de Isnos unterwegs bin, taucht allerdings vorerst ein anderes Problem auf: Das rechte Pedallager harzt plötzlich und beginnt zu blockieren.

Ich habe ein Ersatzteil dabei, welches ich schon einmal erfolglos zu montieren versuche habe. Auch diesmal wird es nicht einfacher werden, das alte Pedal abzuschrauben. Im Ort suche ich bei der Tankstelle Hilfe, wo man mich an die Werkstatt gegenüber verweist. Diese besteht aus einem Vorplatz und einem Raum mit - immerhin - einigen Werkzeugen. Als mit dem bestpassenden Gabelschlüssel nichts zu bewegen ist, holen die lokalen Reparaturexperten ein etwa zwei Meter langs Rohr hervor. Damit und mit vereinten Kräften von etwa fünf Personen gelingt es schliesslich, das festgesessene Gewinde zu bezwingen, nachdem wir den richtigen Dreh herausgefunden haben.

Es bleiben noch zwei Tage bis Popayan, zuerst durch ein langgezogenes Waldgebiet, dann über eine Hochebene und schliesslich ins Tal hinunter. Die Strasse ist tatsächlich nicht im besten Zustand - ausgewaschen und mit vielen grossen Steinen gepflastert. Bergab bin ich kaum schneller als im Aufstieg. Die Nacht darf ich im Zelt in der noch nicht ganz fertigen neuen Küche eines Restaurants verbringen.

Deutsche Filosofen

Ich bleibe einen Tag in Popayan und streife durch die Altstadt, welche durchwegs aus niedrigen Gebäuden im Kolonialstil besteht. Am Abend finden einige Anthropologiestudenten, die ich treffe, ich sollte mich als Deutschsprachiger eigentlich mit den Konzepten einiger deutscher Filosofen bestens auskennen. Ich versuche, ihnen so gut es geht (auf spanisch) die Stange zu halten.

Am Donnerstag, ersten Juli geht es weiter, schliesslich habe ich so um den zehnten eine Verabredung in Quito. Die Strasse nach Süden führt mit einigen Zwischenaufstiegen hinunter ins Tal des Patia mit ziemlich trockenem, wenig fruchtbarem Boden. Ob in der Gegend wohl deshalb Überfälle an der Tagesordnung sind? Auch für mich wird ein kleiner Überfall inszeniert, sogar mit Blutvergiessen.

Das ist ein Überfall

Zugegeben, mein Nachtlager unter einer Strassenbrücke mit vielen nahen Büschen und toten Winkeln habe ich nicht sehr weise ausgewählt. So ist es für die beiden jungen Männer, die plötzlich auftauchen, als ich am Samstagmorgen beim Einpacken bin, ein Leichtes, sich auzuschleichen. Der eine von ihnen fuchtelt mit einer Schrotflinte vor meiner Nase herum und meint, ich solle mich zu Boden werfen. Die Aufforderung wirkt recht unverbindlich, die beiden machen einen sehr unsicheren Eindruck, und ich bleibe zunächst stehen.

Als der andere der beiden Überraschungsgäste in meinen Sachen zu wühlen beginnt, habe ich genug und packe den Gewehrträger um den Hals. Sekunden später sind die beiden wieder verschwunden, so hastig, dass sie sogar ihre Munitionstasche vergessen, doch bevor ich den einen habe loslassen können, hat mir der Kollege schon sein Messer in den Rücken gerammt. Ich verbinde die Wunde so gut es halt geht und verlasse den Ort ebenfalls möglichst schnell, allerdings mit meinem Gepäck.

Samariter

Keine zwei Kilometer weiter stosse ich auf einen Lastwagen mit Reifenpanne. Sein Fahrer legt mir den Verband besser an. Der Polizist, der zufällig vorbeikommt, bestätigt, dass die Gegend gefährlich sei und zeigt mir die Handgranate, die er mitführt. Er scheint aber nicht daran interessiert, den Vorfall irgendwie zu Protokoll zu nehmen. Nochmals einige Kilometer weiter bietet mir ausgerechnet ein Arzt an, mich bis in die nächste Stadt mitzunehmen, hinauf nach Pasto, nachdem ich erzähle, was passiert ist, natürlich nicht ohne vorher nochmals einen besseren Verband anzulegen und meinen Blutdruck zu messen.

Der Mann ist mit der gesamten Familie unterwegs zu seinen Eltern. Er bringt mich auch gleich ins Spital zum Nähen und sorgt für Unterkunft und Verpflegung. Am Sonntag fahren wir per Fahrrad zum Haus seiner Schwester, wo sich die erweiterte Familie für ein Geburtstagsfest einfindet, und ich stelle zufrieden fest, dass ich mich problemlos auf dem Rad halten kann.

Anderntags verabschiede ich mich und fahre Richtung Süden weiter. Das Gelände ist immer noch alles andere als flach, und ich komme nicht besonders schnell vorwärts. Erst am Nachmittag des nächsten Tages erreiche ich die Grenzstadt Ipiales und verfahre mich zwei Mal, bevor ich den Übergang finde. Am Grenzposten herrscht auffällig wenig Betrieb.

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