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Februar in Mexiko, Guatemala

albano, San Salvador (El Salvador) im März 1999

Ende Januar ist mir die happige Forderung des Zollamtes für mein Paket ins Zelt geflattert. Mangels günstigerer Alternativen begebe ich mich am Montag, 1. März zur Bank und überweise den gewünschten Betrag.

 

Die letzten Hürden

Meinen Fax mit der Bestätigung der Bank habe man erhalten, teilt man mir bei meinem Kontrollanruf in die Landeshauptstadt mit, es gebe allerdings noch ein kleines Problem: Die zu bezahlende Summe sei nun, am Montag, leicht höher als am Freitag. Man warte jetzt nur noch auf die Differenz. Ich bin nahe daran, mich zu bedanken, dass diese Differenz nur gerade knapp 12 Euros beträgt. Endlich, bei meinem nächsten Anruf, bekomme ich zu hören, dass mein Paket mich jetzt bald erreichen werde.

Am Mittwoch Nachmittag ist es dann soweit. Nicht ganz alle gesandten Artikel schaffen es allerdings bis nach Oaxaca. Es fehlen 200 Gramm Schokolade und ein Power-Bar in der Sendung. Die begleitende Rechnung weist auch nicht genau den bezahlten Betrag aus, weder den vom Montag, noch den vom Freitag. Abgesehen von diesen, angesichts der zuvor aufgetretenen Schwierigkeiten lächerlichen Details ist alles in Ordnung, und ich beginne noch am gleichen Tag mit dem Auswechseln der Teile.

Zum Glück sind Wohnmobilfahrer oft zugleich Heimwerker, so dass meine Nachbarn mir mit fehlenden Werkzeugen und auch mit Tatkraft aushelfen können. So bin ich gegen Ende der Woche wieder stolzer Besitzer eines fast neuen Tourenfahrrades.

 

Amors Streifschuss

Anfangs Februar bin ich schon drei Wochen in Oaxaca - genug Zeit, um mich zu verlieben. Es trifft eine der Verkäuferinnen des Schreibwarengeschäftes, in dem ich mich alle paar Tage per Computer mit dem Rest der Welt verbinde. Sie ist nicht uninteressiert an mir. Die paar Tage, die bis zu meiner Abreise verbleiben, an der ich festhalte, Frühlingsgefühle hin oder her, sind ihr aber zu wenig, und sie bleibt auf Distanz. Immerhin gehen wir einige Male zusammen aus.

Nach mehrtägigem Packen und vielen Abschiedsgeschenken, -briefen und -worten lasse ich am Freitag, 12. Februar Oaxaca hinter mir und pedale Richtung Osten. Die ersten paar Kilometer fühle ich mich etwas unsicher auf dem Gefährt. Am gleichen Tag besuche ich die Ruinen von Mitla und beobachte die Touristengruppen bei der Arbeit.

 

Probleme mit Luft und Wasser

Durch stark hügeliges Gelände geht es in den nächsten Tagen hinunter zur Landenge von Tehuántepec und zur gleichnamigen Stadt. Der folgende, gut 50 Kilometer lange, topfebene Strassenabschnitt hat es in sich: böiger Seitenwind. Weit von Ideallinie entfernt taumle ich auf dem Pannenstreifen hin und her und bin froh, dass ich keine Geschwindigkeitsanzeige vor mir habe, welche mich vielleicht mit einstelligen Angaben belästigen würde. Einheimische nennen die Windstärke "moderat" und führen an, dass nicht selten Wohnmobile in die Horizontale gedrängt würden.

Seit einigen Tagen zeichnet sich ein Wasserproblem ab. Die praktischen Wasserkanister mit knapp vier Litern oder einer US-Gallone Inhalt sind seit Oaxaca nirgends erhältllich. Die verhältnismässig spottbilligen 19-Liter-Mehrwegflaschen sind die einzige Alternative zum teuren Mineralwasser. Normalerweise wird das volle Gebinde gegen ein leeres eingetauscht, nur kann ich mir schwer vorstellen, eine dieser riesigen Kunststoff- oder gar Glasflaschen zusätzlich auf mein Fahrrad zu packen. Schliesslich fülle ich einen dieser Kanister in meine Wassersäcke um und lasse einige Liter im Laden zurück. Eine noch bessere Lösung werde ich eine gute Woche später finden, als ich an meinem letzten Tag in Mexiko das Wasser direkt bei einer Aufbereitungs- und Abfüllanlage anzapfe.

Am Dienstag, 16. Februar erklimme ich das Küstengebirge des Staates Chiapas. Als ich gegen Abend einen Autobus passiere, dessen Fahrgäste gerade eine Pause geniessen, fahre ich einem deutschen Heim-Videografen voll vor die Linsen. Er stellt mir die üblichen Fragen, muss aber schon bald zurück zum Bus, weil der sonst ohne ihn weiterfahren würde.

 

Einheitsküche - Tiervielfalt

Am Mittwoch erreiche ich Tuxtla Guitiérrez, die Hauptstadt Chiapas'. Bei der Einfahrt in die Stadt werden Erinnerungen an die USA wach; links und rechts der Strasse riesige Schilder der bekannten, standardisierten Ess- und Ladenketten und nicht zu knapp bemessene Parkplatzflächen. Im Zentrum wird es dann wieder mexikanischer: viele kleine Läden und Verkaufsstände, ein grosser Platz, eine grosse Kathedrale, beides schlicht gehalten.

Am folgenden Tag schaue ich im Zoo vorbei, in welchem eine Vielfalt von Tieren zu sehen ist, und zwar ausschliesslich einheimische Arten. Das Angebot reicht von Raubkatzen bis zu bunten Papageien.

 

Aufstieg mit Ueberraschungen

Freitags nehme ich den Aufstieg nach San Cristóbal de las Casas in Angriff. Beim Eindunkeln platziere ich mein Zelt in einem offenen Feld neben der Strasse. Am Morgen ist dieses dann weithin sichtbar, und ich erhalte Besuch von verschiedenen Leuten aus den umliegenden Siedlungen. Hier wird Tsotsil gesprochen, wie ich erfahre. Man beherrscht aber glücklicherweise auch Spanisch.

Die Leute sind hier offenbar an Touristen gewöhnt. Die Tücher in leuchtenden Farben, welche entlang der Strasse feilgeboten werden, sind zwar erschwinglich, aber auch für das Fotografieren derselben werden Pesos verlangt. Noch störender ist die schon fast professionell anmutende Bettelei der Kinder, welche mit ihrem herzzerreissend armen Gesichtsausdruck und ihrer weinerlichen Stimme scheinbar einige Leute zur Geldbörse greifen lassen.

Der lange Aufstieg hält zwei weitere Ueberraschungen bereit: die zweite ist ein Tourenfahrer aus Wien, der mir entgegenkommt und mit dem ich mich eine gute Stunde unterhalte. Die erste, kurz vorher, erinnert an die Bergpreiswertungen der Tour de France. Steht doch da tatsächlich mitten auf der Strasse geschrieben: "Hopp Albano, halte durch." Eine aufgemalte Schweizerfahne bekräftigt die Mitteilung. Das Kunstwerk trägt keinen Hinweis auf seinen Urheber, kann aber fast nur von jenem Ostschweizer stammen, der auf dem Zeltplatz in Oaxaca aus ein paar gewöhnlichen Spraydosen fantasievolle Bilder hervorgezaubert hat.

 

Betriebsfest

Am Abend erreiche ich San Cristóbal. An der Kreuzung mit der Ringstrasse muss ich am Lichtsignal warten. Vor der Volkswagen-Garage zu meiner Rechten hat sich eine Gruppe Männer versammelt. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Man winkt mich herbei und bietet mir Tacos (Teigfladen mit Inhalt) und feinsten Tequila an. Bei der Festgemeinde handelt es sich um Mitarbeiter der Werkstatt. Zwei von ihnen sind in einem privaten Halbmarathon heute Abend gegeneinander angetreten. Es wird angeregt über die Ausrüstung und Strecke diskutiert. Unterdessen setzt ein kräftiger Gewitterregen ein, mein erster seit einem halben Jahr. Unter dem Vordach des Gebäudes bleibt es jedoch gemütlich.

Nach einigen Bechern Schnaps möchte ich mich nicht mehr aufs Rad setzen und stelle mein Zelt, mit der Erlaubnis des Werkstattchefs, nur wenige Meter neben der belebten Kreuzung auf dem Vorplatz der Garage auf. Natürlich sind mir so, vor allem am Morgen, die verwunderten Blicke der Passanten gewiss. Im Hinblick auf etwas mehr Privatsphäre ziehe ich am Sonntag dann in ein Gästehaus um.

 

Attraktive Stadt mit Schweizer Souvenirs

San Cristóbal liegt auf über 2000 Meter Höhe und hat so ein angenehmes Klima. Die Stadt ist nicht besonders gross, aber ein beliebtes Touristenziel. Ihr Zentrum präsentiert sich denn auch recht lebhaft. Mit begrünten und weniger begrünten Plätzen und vielen Einkaufsmöglichkeiten. Natürlich gehören auch hier mehrere Sakralbauten und ein stattliches Gemeindehaus zum Ortsbild. Auch die umliegenden Dörfer sind beliebte Touristenziele. Seit dem Zapatisten-Aufstand im Jahr 1994 habe besonders in der Umgebung die Kriminalität zugenommen. Ueberfälle seien, so vernehme ich, an der Tagesordnung.

Ich selbst mache keine schlechten Erfahrungen, auch nicht, als ich die Grotte im Südosten der Stadt besuche. Im Gegenteil - am Montag werde ich von meinem neuen Freund, dem Werkstattchef zum Essen eingeladen. Ausserdem lerne ich durch ihn einen Ausland-Appenzeller kennen, welcher in der Innenstadt einen kleinen Laden betreibt, wo er nebst anderen Schweizer Souvenirs auch Schokolade anbietet. Mit dem Zoll gebe es kaum Schwierigkeiten, versichert er mir.

 

Zivile und militärische Migrationskontrollen

Ende Monat läuft meine Touristenkarte für Mexico schon wieder ab. Da ich keine Lust habe, mich erneut um eine Verlängerung zu bemühen, verlasse ich San Cristóbal am Mittwoch, 24. Februar Richtung Landesgrenze. Auf der Fahrt durch die hügelige Landschaft wird deutlich, dass das Gebiet nicht nur reich an Tier- sondern auch an Pflanzenarten ist. Gewächse unterschiedlichster Formen besiedeln die Hänge.

Bevor ich die Grenze erreiche, muss ich zwei Kontrollposten der Armee passieren. Diese sollen den Drogenschmuggel eindämmen. Die Fahrzeuge Richtung Norden werden besonders genau unter die Lupe genommen. Mein Gepäck wird nicht durchsucht, stattdessen interessiert man sich für meine tägliche Kilometerleistung und für das Schweizer Bankgeheimnis - rein dienstlich, versteht sich. Am Freitag reise ich ohne Schwierigkeiten ins nächste Land. Gleich nach der Passage der Miniatur-Ausgabe eines Schlagbaums gibt es im Büro des Migrationsamtes rechts der Strasse einen guatemaltekischen Stempel in den Pass. Den Rest des Freitags verbringe ich im sanften Aufstieg durch das enge Tal Richtung Huehuetenango. Entlang der Strasse sind immer wieder Kaffeebohnen zum Trocknen ausgebreitet.

 

Banken-Marathon

Am nächsten Tag erreiche ich die Stadt. Sie liegt etwas abseits der Hauptstrasse und ist durch eine staubige Zufahrtsstrecke mit dieser verbunden. Mein Versuch, mit der Kreditkarte bare Quetzales (so heisst das Geld des Landes) zu erhalten, scheitert. Die Geldautomaten spucken meine Mastercard wieder aus mit dem Hinweis, die Transaktion sei nicht zulässig. Eine Visa-Karte wäre die Lösung.

Auch am Schalter habe ich keinen Erfolg. Ich soll es doch bei dieser oder jener Bank versuchen, vielleicht klappe es dort. Das mache ich dann auch, nur um bei dieser und jener Bank von den stets freundlichen Schalterangestellten das gleiche zu hören. Nach etwa fünf Banken breche ich die Uebung ab und fahre ohne Landeswährung weiter Richtung Quetzaltenango. In einer Stadt mit diesem Namen sollte man eigentlich problemlos Quetzales erhalten, denke ich mir.

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© 7.4.1999 albano & team