Etwas viel Handgepäck

Warum man bei einer Zwischenlandung nicht einfach aussteigen kann

albano, Newark (New Jersey, USA) im August 2000

Nach einer Nacht im Wartesaal des Flughafens von Newark komme ich am Morgen als zweiter Kunde an den Check-in-Schalter, wo ich, wie üblich, meinen Sitzplatz zugeteilt erhalten und mein Gepäck abgeben soll. Ich bin auf dem Rückflug von Zürich nach Quito, aber will diesmal nur bis Bogotá. Das sollte problemlos möglich sein, denn der gleiche Flug landet auch dort, bevor er sein Endziel Quito erreicht. Der gleichen Ansicht war man jedenfalls auch im Reisebüro, in dem ich den Flug erwarb, und im Buchungsbüro der Fluggesellschaft, als ich den Rückflug nochmals bestätigte.

Die Frau hier am Schalter ist allerdings anderer Meinung. Sie könne mir für mein Ticket nach Quito unmöglich eine Bordkarte nach Bogotá ausstellen. Schade, wenn das System so unflexibel ist, doch das macht nichts; ich kann ja trotzdem in Bogotá aussteigen. Aber mein Rucksack und meine Tasche, die im Bauch des Flugzeugs mitreisen werden, sollten auch nur bis Bogotá. Das lässt sich doch machen? Geht auch nicht, meint das System, dann würde ich in Quito ja vergeblich auf meine Koffer warten. Klingt logisch.

Die ratlose Angestellte sucht Hilfe bei einer Kollegin. Diese meint, umbuchen könne man mich eben auch nicht, weil die Sitzplätze nach Quito theoretisch gar nicht nach Bogotá fliegen und weil von jenen, die auch theoretisch nach Bogotá fliegen, leider keiner mehr frei sei. Ausserdem dürfte sie, auch wenn es freie Plätze hätte, mein Economy-Ticket sowieso nicht umbuchen und müsste mir stattdessen einen neuen Flugschein ausstellen, was mich fast nochmals soviel kosten würde, wie ich für Hin- und Rückflug bereits bezahlt habe.

Irgendwie begreifen die Frauen, dass sie mir noch keinen vernünftigen Lösungsvorschlag gemacht haben. Schliesslich mustern sie meine beiden Gepäckstücke. Die seien ja nicht so gross, die könne man doch als Handgepäck durchmogeln. Aber diesen Tip könnten sie natürlich nur unter der Hand geben und offiziell müsse ich darum weiterhin bis Quito fliegen. Nicht gerade eine vertrauenerweckende Lösung, denn es ist ja nur ein Stück Handgepäck zugelassen, und wer viel fliegt weiss, dass die meisten Leute eh viel zu viel Zeug mit sich in die Kabine schleppen. Ausserdem passen die beiden Taschen bestimmt weder unter die Sitze noch in die Gepäckfächer der verhältnismässig kleinen Boeing 757.

Aber die Damen werden mir ja wohl nicht böswillig weitere Probleme aufhalsen. Hoffnungsvoll begebe ich mich also auf den Weg Richtung Warteraum. Als ich meine ganzen Sachen auf das Förderband zum durchleuchten lege, erwächst jedenfalls noch keine Opposition. Gleich dahinter hält mich jedoch ein Uniformierter mit Funkgerät an und sagt mir, was ich schon lange weiss: Mein Rucksack sei zu gross, der passe nicht in die Kabine eines Flugzeugs. Ich antworte, dass ich ihn aber auch nicht einchecken könne. Er mag sich anscheinend nicht mit mir streiten und lässt mich in Ruhe.

Um wenigstens keine weiteren Beamten zu verärgern, ziehe ich mich in die Toilette zurück und packe um, so dass die insgesamt drei Taschen jede für sich möglichst klein und unauffällig wirken. So schaffe ich es unbehelligt bis zur Abflugwartehalle, wo sich bald viele Leute mit all ihren Täschchen und Köfferchen drängen. Wie immer werden die hintersten Plätze der Maschine zuerst belegt. Ich bin in der Mitte platziert und muss warten.

Endlich darf auch ich vorrücken. Gleich vor mir hält der Angestellte im Durchgang eine Frau mit etwa vier Taschen auf und erklärt ihr, dass das so nicht gehe. Zu meinem Erstaunen lässt er mich durch, nachdem er mich gefragt hat, ob ich bereits Gepäck eingecheckt habe. Ein weiterer Angestellter schaut sich meine Bordkarte an. Aha, nach Quito, meint er. Ich wage nicht, ihm zu widersprechen.

Am Ende des Fingerdocks, gleich beim Eingang des Flugzeugs, spricht mich eine Flugbegleiterin an. Wieder zu meinem Erstaunen schickt sie mich nicht zurück, sondern meint, mindestens eine Tasche müsse sie etikettieren. Ich vermute, dass ich soeben die Lösung für meine Problem gefunden habe. Doch, doch, man könne auch beide Stücke etikettieren, meint die Frau auf meine Rückfrage hin. Wo es denn hingehe? Nach Bogotá, natürlich. Bald nimmt die Angestellte die rote Etikette wieder ab und klebt stattdessen eine gelbe auf, schliesslich handle es sich hier ja nicht um einen Rollstuhl.

Jetzt kommen die Taschen doch noch in den Rumpf der Maschine, und ich bin erleichtert, erst recht, als ich gleich darauf in der Kabine dem üblichen Ansturm auf die Gepäckfächer beiwohne und den vergeblichen Versuchen, diese zu schliessen. Wenige Stunden später werde ich Rucksack und Koffer auf dem Förderband im Flughafen von Bogatá wiederfinden, während das Computersystem meiner Fluggesellschaft immer noch glauben wird, ich fliege nach Quito.

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