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Japanerinnen und Japaner sind überaus anständige und höfliche Leute. In Japan ist es denn auch unmöglich, ein Geschäft zu betreten ohne beim Personal einen schallenden Willkommensgruss und eine leichte Verbeugung auszulösen. Und man braucht nichts zu kaufen, um auch beim Verlassen des Ladens einer ähnlichen Zeremonie sicher zu sein. Dieser Ablauf gilt ebenso für die Luxus-Parfümerie wie für den Nudeln-Schnellimbiss und macht auch vor den Tankstellen nicht Halt. Dort begleiten die Angestellten die abtretenden Kunden sogar bis zur Ausfahrt und winken sie mit einer tiefen Verneigung in den Verkehrsfluss ein.
Japanerinnen und Japaner sind so höfliche Menschen, dass sie auch kaum eine Gelegenheit auslassen, sich zu entschuldigen. Sogar die Fussgängerin, die auf dem Bürgersteig von einem viel zu schnellen Zweirad fast über den Haufen gefahren wird, entschuldigt sich dafür, dass sie im Weg gestanden ist. Dass sich der Radfahrer entschuldigt, braucht schon gar nicht erwähnt zu werden. Diese tief verwurzelte Höflichkeit wird selbstverständlich auch dem Ausländer entgegengebracht. Und natürlich wäre es auch äusserst unhöflich, einem potentiellen Kunden einen Wunsch auszuschlagen. Der Verkäufer im Kameraladen sagt deshalb dem Touristen nicht, dass hier keine Reparaturen ausgeführt werden, sondern dass eine solche mindestens einen Monat dauern würde. Auch so bleiben keine Zweifel.
Soweit ist also die Kommunikation für einen ausländischen Besucher in Japan ganz einfach: in jedem Fall entschuldigen, immer freundlich zurücklächeln. In manchen Situationen reicht aber dies für eine ausreichende Verständigung nicht aus. Tritt der Japanisch-Laie mit komplexeren Wünschen an einen Durchschnitts-Einheimischen heran, wird es schwierig. Dass dieser von den japanischen Gehversuchen des Ausländers keine Silbe versteht, will er nicht zugeben. Kann er sich schliesslich zum Gebrauch seines meist gut ausgebildeten Englisch-Wortschatzes überwinden, tönen die Sätze kaum anders als japanische. Mit Hilfe von Gesten oder eines Wörterbuches gelangt man dann vielleicht doch ans Ziel oder zumindest in dessen Nähe, auch ohne einander restlos verstanden zu haben.
Die japanische Schrift trägt nicht gerade zur Vereinfachung der Kommunikation bei, ist sie doch an Kompliziertheit kaum zu überbieten. Drei verschiedene Zeichensätze vermischen sich in kaum überschaubarer Weise, wobei praktisch jeder von ihnen durch jeden der anderen ersetzt werden kann, was auch häufig praktiziert wird. Nicht einmal die phonetisch übernommenen Fremdwörter stellen eine brauchbare Hilfe dar, denn meist werden diese durch die Verjapanisierung bis zur Unkenntlichkeit entstellt. So kann man sich nur dank der Tatsache, dass «supido» auf einem Strassenschild vor einer Kurve steht, vielleicht ausmalen, dass damit «Geschwindigkeit» gemeint sein könnte. Nicht einmal mehr im Kontext verständlich sind Übernamen aus dem Französischen. Zu den schriftlichen Gemeinheiten gehört ebenso der gelegentliche Gebrauch der chinesischen Zahlen auf Speisekarten.
Zum Glück sind die Japaner auch sehr ordentlich, so dass der Japan-Neuling im Zeichendickicht schon bald ihm bereits vertraute Strukturen entdeckt. Dazu gehört die konsequente Ausschilderung aller Haupt- und Nebenstrassen, was einen Schweizer fast zwangsläufig an seine Heimat erinnert, ebenso wie die durchgestylten Erscheinungsbilder der kleinen Läden, welche an jeder zweiten Strassenecke anzutreffen sind. Diese Läden sind ein Paradies für den Japanisch-Analphabeten, denn hat man einmal die Filiale einer Kette betreten, findet man sich in jeder beliebigen anderen blindlings zurecht: gleich beim Eingang an der Fensterfront die Modemagazine, etwas weiter hinten im gleichen Gestell die erotischen Comic-Hefte, im zweiten Gang die Süssigkeiten und ganz hinten in den Kühltruhen Milchprodukte und Reiskuchen. Und eine saubere Toilette gehört sowieso zur Standard-Ausstattung. Diese Aborte sind übrigens ebenso wie die genauso sauberen Tankstellen-WCs immer für einen Papiernotstand vorbereitet, warten doch mindestens drei 24er-Packs mit Rollen darauf, geöffnet zu werden.
Auch die vielen Automaten sind ganz praktisch, wenn man einmal herausgefunden hat, dass diese auch Wechselgeld herausgeben. Dank ihnen kann man sich auf Wunsch fast gänzlich vom Kontakt mit Eingeborenen entbinden. Am weitesten verbreitet sind die Getränkemaschinen. Sie sind auf Bahnhöfen, Schulhöfen, Friedhöfen ebenso zu finden wie an Waldrändern - kurz: überall, wo irgendwann einmal Menschen verbeikommen werden. Selbstverständlich bieten sie sowohl kalte, wie auch heisse Getränke an. Auch die verschiedensten Gutscheine kann man ohne Personenkontakt beziehen, wenn man richtig errät, wozu welche Taste dient. So kommt man zu Fahrkarten, Mahlzeiten und auch zu chinesichen Visas. Und noch allerhand andere nützliche Dinge kann man in Japan aus Maschinen erhalten. Denn wer kommt schon ohne getragene Damenunterwäsche aus?
© 27.5.2000 albano & team